Kürzlich war ich am Ufer des Beverin im Oberengadin und spürte die Wucht und Kraft eines Hochwassers.
Ich setzte mich auf einen grossen Felsen, starrte auf die tosenden Wassermassen dieses sonst so idyllischen Bergbachs und erschrak. Plötzlich war da enorm viel Wut in mir. Aber es war nicht meine persönliche Wut, die ich da spürte, sondern es kam mir so vor, als ob die Natur jetzt wütend sei und diese Wut sich als grollender Wildbach ins Tal runterstürzte.
Die Botschaft war klar: Jetzt ist es genug!!! Genug verbaut! Genug Klimagase ausgestossen! Genug lang die Kraft der Natur ignoriert! Es fühlte sich nicht böse an, aber ultimativ. Dramatischer als am Beverin waren die Auswirkungen dieser Wut im Misox, im Maggiatal oder im Wallis. Da gab es Tote und Schäden in Millionenhöhe.
Unsere Reaktion auf solche Zeichen ist bisher immer die gleiche: Wir erzählen uns, dass es solche Ereignisse immer schon gegeben hat. Wir räumen zuerst auf, dann verstärken wir die baulichen Massnahmen, investieren in Dämme, bauen Schutzmauern um Häuser und hoffen, dass wir das nächste Mal von solchen „Naturereignissen“ verschont bleiben.
Vielleicht wäre es aber an der Zeit, mal etwas anders zu reagieren. Denn inzwischen dämmert es uns, dass es so nicht weiter gehen wird. Aber wie kann es denn weitergehen, wenn nicht so?
Ein erster Schritt wäre, uns mit der Natur wieder zu versöhnen; sie nicht als Feind zu betrachten, den wir in Schach halten und dominieren müssen - denn das ist aussichtslos, weil die Natur immer viel mächtiger sein wird als wir, was sie uns mit solchen Unwettern, mit dem Klimawandel, mit Dürren und Orkanen klar zu machen versucht.
Ein zweiter Schritt wäre einzusehen, dass wir zusammen mit der Umwelt ein Ganzes bilden. Wir sind nicht getrennt von der Natur. Deshalb macht es Sinn uns als Ganzes zu sehen - wir sind die Natur oder wie der Geiger Yehudi Menuhin es einmal formuliert hat: „Wir sind Teil des Kosmos, genauso wie der Kosmos Teil von uns ist.“
Und ein dritter Schritt wäre dann für das Ganze zu arbeiten. Das heisst auch, dass wir unseren Individualismus hintenanstellen müssen und zuerst zum Wohle des Ganzen handeln, bevor wir uns um uns selbst kümmern.